20. und 21. Mai 2016
Vielversprechenden Ansätzen jüngeren Datums zum Trotz erweist sich die öffentliche und wissenschaftliche Diskussion über das heutige Russland nach wie vor weitenteils von drei Tendenzen geprägt: der starken Konzentration auf das politische System und dessen Eliten, der Anwendung von Konzepten, die zur Erklärung des Stalinismus entwickelt wurden, sowie der Betonung und Exotisierung angeblicher Einzigartigkeit, die auf der altehrwürdigen Tradition selektiver internationaler Vergleiche beruht.
Das Ziel dieses Berliner Colloquiums lautete, fern dieser drei Ansätze neue Zugänge zum Verständnis der Transformation der russischen Gesellschaft während der letzten Jahrzehnte zu entwickeln. Geladen war daher eine kleine Gruppe von etwa 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern: Soziologen (wie auch Geographen und Anthropologen), die sich mit dem Russland beschäftigen, und Historiker, deren Arbeit die letzten Jahrzehnte der UdSSR und die postsowjetischen Zeit umfasst. Gemeinsam haben wir neue analytische Konzepte ausprobiert, die das überkommene, normativ überfrachtete Vokabular von „Homo sovieticus“, „Postsozialismus“, „Apathie“ oder „Atomisierung“, „Modernisierung“ und „Traditionalismus“ ersetzen könnten. Als Stichdatum diente dabei das Jahr 1980 – das Jahr, in dem der Ölboom der 1970er Jahre endete und in dem erstmals massiv Soldaten aus Russland nach Afghanistan entsendet wurden, wo seit 1979 mehrheitlich Soldaten aus den zentralasiatischen Republiken kämpften. Damit begann eine fast ununterbrochene Serie militärischer Einsätze, die weitreichende Auswirkungen auf die russische Gesellschaft hat.
Die Tagungssprache war Englisch.
Im Gespräch mit Mischa Gabowitsch
Alena Ledeneva live am Einstein Forum
Mischa Gabowitsch, Stephen Lovell und Laurent Thévenot im Mittelweg 36